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Wieso du deinen Ideen mehr Vertrauen schuldest

  • Autorenbild: Michelle Fischer
    Michelle Fischer
  • 3. Nov. 2024
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 17. März


Eine junge Frau liegt auf einem Sofa und liest ein Buch.

Eine der schwierigsten Lektionen, die ein:e Schriftsteller:in lernen muss, ist, dass Ungewissheit – manchmal sogar schmerzhafte Ungewissheit – ein wesentlicher Bestandteil des Schreibprozesses ist.

Alice LaPlante in The Making of a Story – A Norton Guide to Creative Writing


 

Das mit den Ideen ist bei mir so eine Sache. Sie kommen nicht allzu oft – und wenn, dann sind sie kaum mehr als ein einzelner Gedanke oder ein Gefühl. Ein Flämmchen am Streichholz, das beim nächsten Windstoss erlischt.


Lange Zeit war ich der Ansicht, dass das daran lag, dass ich einfach keine guten Ideen hätte. Dass meine Flämmchen zu klein waren, zu unwichtig. Gute Ideen sollten sich gross anfühlen. Sie sollten mich vom Hocker hauen. Und das taten sie nie.


So sass ich immer wieder mit meinem Notizbuch am Schreibtisch, starrte auf die leeren Seiten und wusste nicht, was ich schreiben sollte. Die Ungewissheit, die das in mir auslöste, war manchmal kaum zu ertragen. War dies nicht der Beweis dafür, dass ich einfach nicht für das Schreiben bestimmt war? Welche guten Autorinnen und Autoren sitzen schon stundenlang vor einer leeren Seite und wissen nicht, was sie schreiben sollen?


Wie sich mittlerweile herausgestellt hat: Wahrscheinlich so ziemlich alle.


Nicht zu wissen, was du schreiben sollst, ist völlig normal


Eigentlich hatte ich mir Alice LaPlantes Schreibratgeber „The Making of a Story – A Norton Guide to Creative Writing” gekauft, um mein Schreibhandwerk zu üben. Technische Sachen wie Erzähltheorie oder Perspektive. Stattdessen war das Erste, was ich von dem Buch lernte, eine Lektion in Sachen Selbstvertrauen.


Nicht zu wissen, was man schreiben soll, ist gemäss LaPlante nämlich nicht nur die Norm für Schreibanfänger:innen, sondern für die allermeisten Autorinnen und Autoren – sogar die ganz erfolgreichen. Die allermeisten Menschen, die einen Text schreiben wollen, kämpfen mit viel Ungewissheit. Nur, dass eben nicht viele der bekannten Gesichter darüber sprechen.


Keine Ideen zu haben und grosse Unsicherheit oder sogar Angst zu verspüren, wenn du vor einem leeren Blatt Papier sitzt, ist also kein Zeichen dafür, dass du nicht gut genug fürs Schreiben bist. Tatsächlich kann es sogar dein grosser kreativer Vorteil sein, wie LaPlante schreibt.


Ein Zeichen, dass du etwas Neues wagst


Nicht zu wissen, was du schreiben sollst, ist gemäss LaPlante ein Zeichen dafür, dass du dich als Autor:in auf ein neues Terrain begibst. Du besuchst Orte, die du noch nicht kennst. Und unbekannte Orte sind ein exzellenter Ausgangspunkt für dich, um Ideen zu entwickeln, die wirklich originell sind.


Wenn du keine Ideen hast, bedeutet das nämlich auch, dass du keine vorgefertigten Muster in deinem Kopf hast. Anstatt Geschichten anderer Autorinnen und Autoren nachzuerzählen, bist du bereit, dich auf etwas Neues einzulassen. Du entscheidest dich für deine eigene Kreativität – und das fühlt sich nun mal sehr oft sehr ungewiss an.


Trotze der Ungewissheit


Das grosse Geheimnis des Schreibens liegt also nicht darin, Ideen zu haben, die so überzeugend sind, dass du keine Minute an ihnen zweifelst. Es liegt darin, der Ungewissheit zu trotzen und den eigenen Ideen zu vertrauen.


Ideen sind selten mehr als kleine Flämmchen. Doch du brauchst gar nicht mehr als das, um eine grosse Flamme zu schüren. Wichtig ist, dass du deine Ideen nicht ersticken lässt, weil sie dir zu klein oder nicht gut genug erscheinen, bevor du sie überhaupt ausprobiert hast.


LaPlante schreibt, dass das Aushalten der Ungewissheiten eine der schwierigsten Lektionen ist, die eine Autorin oder ein Autor lernen muss. Und, dass – zu unserem grossen Leidwesen – diese Ungewissheit auch mit zunehmender Erfahrung, Alter oder Lob nicht weggehen wird. Was allerdings mit der Zeit besser werden kann, ist das Selbstvertrauen. Denn wenn du weisst, dass Selbstzweifel und Ungewissheit zum Prozess dazugehören, kann es dir leichter fallen, trotzdem weiterzumachen.


Übe dich darin, die Ungewissheit auszuhalten. Gib deinen Ideen eine Chance. Verfolge die Gedanken, die du hast, ein wenig weiter, als du es normalerweise tun würdest. Man weiss ja nie, wo sie einen hinführen können. Und je öfters du dich bis zum Ende durchboxt, desto grösser wird auch die Wahrscheinlichkeit, dass eine deiner Ideen tatsächlich einmal zu dem wird, was du dir von einem Text erhofft hast.


 
 
 

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