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Wenn ich einfach nicht auf "Veröffentlichen" drücken kann

  • Autorenbild: Michelle Fischer
    Michelle Fischer
  • 19. Aug.
  • 5 Min. Lesezeit

In den letzten Tagen habe ich viel darüber nachgedacht, warum ich es eigentlich so schwierig finde, Texte für andere Menschen zu schreiben. Solche, die nicht nur für meine eigenen Augen gedacht sind, sondern die irgendwo veröffentlicht werden sollen. Wann immer ich mich nämlich an einen solchen Text setze und mir bewusst werde, dass diese Worte nicht bei mir bleiben werden, muss ich erst einmal leer schlucken.


Schon seit ich vor vielen Jahren mit dem Schreiben begonnen habe, fällt es mir richtig schwer, meine Texte mit anderen Menschen zu teilen. Immerhin ist das ja ein bisschen so, als würde man jemanden in seinen Kopf gucken lassen. Und da oben herrscht bei mir nicht unbedingt immer Ordnung.


Ob beabsichtigt oder nicht, die allermeisten meiner Texte machen mich ein bisschen verwundbar.


Das gilt ganz besonders für die Guten. Meine grössten Ängste weben sich in meine Sätze ebenso wie meine Ziele, Wünsche, meine Weltwahrnehmung und jegliche Denkfehler, die mir bisher unbemerkt geblieben sind. Und der Gedanke, dass jemand völlig Fremdes (oder noch schlimmer: jemand, den ich kenne) durch meine Texte auf all das Zugriff hat, das alles frei beurteilen und verurteilen kann, ist schon ziemlich unangenehm. Was, wenn meine Leser:innen nicht verstehen, was ich sagen will? Was, wenn sie denken, dass ich absoluten Mist rede?


Rational betrachtet weiss ich natürlich, dass das so nicht funktioniert. Dass es immer Menschen geben wird, die nicht einverstanden sind mit meinem Denken, oder die mich überhaupt nicht erst verstehen. Aber irgendetwas in mir rebelliert da trotzdem ganz stark. Tritt auf die Bremse, wann immer ich einen Text für andere Augen schreiben soll.


Überhaupt schon im Wissen zu sein, dass jemand eines Tages meine Worte lesen könnte, reicht für mich oft bereits aus, um mich in meinem Schreiben zu paralysieren. Ich filtere dann nicht mehr nur meine Worte auf dem Papier (und editiere, und editiere, und editiere), sondern auch meine Gedanken. Plötzlich ist irgendwie gar nichts mehr gut genug und bevor ich mich versehe, schmeisse ich den Stift hin (oder knalle den Laptop zu) und mache mir für den Rest des Tages Gedanken über meine eigenen Unzulänglichkeiten.


Nicht so, wenn ich nur für mich schreibe.


Dann fliessen und purzeln die Worte meist ganz übermütig aus mir heraus. Ich kann gar nicht damit aufhören, zu beschreiben, was ich denke, fühle und in dieser Welt wahrnehme. Es ist ein bisschen wie Fliegen. Etwas Strampeln gehört zwar dazu, aber mehrheitlich ist es ganz leicht und mühelos.


Dass diese Texte interessanter zu lesen sind, als jene, die ich mit einem klopfenden Herzen und zensierten Gedanken schreibe, liegt auf der Hand. Ich glaube, das liegt vor allem daran, dass ich in meinen Nur-für-mich-Texten ehrlicher bin. Schliesslich gibt es da niemanden, vor dem ich mich verstecken müsste. Niemand, der über meine Gedankengänge urteilen und mich als «komisch» abstempeln könnte. Ich wechsle einfach in einen anderen Modus. Denselben, den ich zu Hause habe, wenn ich ganz alleine bin, das Radio auf laut stelle und in der Küche tanze. Dann bin ich einfach nur ich selbst.



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Nun ist es aber so, dass mir dieser Modus-Wechsel als Autorin natürlich ein bisschen im Weg steht. Jedes Mal zu verkrampfen, wenn ich einen Text für fremde Augen schreiben soll, ist alles andere als hilfreich, wenn ich meine Texte ab und zu auch gerne mal mit anderen teilen möchte. Ich habe mich deshalb gefragt, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, diese Paralyse zu umgehen, die mich beim Schreiben von Für-dich-Texten (die nenne ich jetzt so) befällt. Ob ich mich irgendwie überlisten könnte, nicht mehr an ein potenzielles Publikum zu denken, sondern einfach nur an mich.


Während ich an diesem Problem herumstudiert habe, war ich zufälligerweise gerade im Begriff, eine neue Kreativübung in meine Schreibroutine aufzunehmen. Ich hatte auf Substack (meiner neuen Lieblingsplattform) von anderen Schreibenden gelesen, die über die "Morning Pages" aus Julia Camerons The Artist's Way diskutierten und dachte mir, ich könnte das doch auch mal ausprobieren. Bei dieser Übung geht's im Grunde darum, dass man vor dem Schreiben, Malen oder einer sonstigen kreativen Tätigkeit, einfach mal drei A4-Seiten mit seinen Gedanken vollschreibt. Die Idee dahinter ist, perfektionistische Tendenzen zu überwinden und gleichzeitig in einen kreativen Fluss zu kommen. Und natürlich müssen diese Seiten niemandem gezeigt werden. Die sind nur für dich.


Während ich also jeden Morgen meinen Für-mich-Text schrieb, ist etwas Überraschendes passiert: Plötzlich hatte ich richtig Lust darauf, einen Text zu veröffentlichen.


Auf einmal hat es mich richtig in den Fingerspitzen gejuckt, einige meiner Gedanken und Beobachtungen in meinem öffentlichen Blog festzuhalten. Ich wollte wissen, was andere wohl zu diesen Themen dachten, wollte mich vernetzen und mich in meinen Texten ausdrücken. Nicht nur für mich, sondern sichtbar für alle.


Aber wie genau ist das passiert? Warum hat ausgerechnet das Schreiben dieser Morning Pages dazu geführt, dass ich meine Gedanken plötzlich teilen wollte? Meine Theorie ist folgende.


Die Kreativübung "Morning Pages" hat mich dazu gezwungen, jeden Morgen einen ziemlich langen Für-mich-Text zu schreiben. Da gab's kein ewiges Editieren und auch keine zensierten Gedanken. Schliesslich war da ja nur ich. Und dieses Ich wollte generell recht zügig schreiben, um mit der Übung fertig sein (das Ganze dauert nämlich in der Regel so ca. 45 Minuten). Dieses Schreibverhalten stand im starken Kontrast zu dem, was ich sonst täglich tat: Stundenlanges herumfeilen an einigen wenigen Paragraphen und ein sich ständig aufbauender Druck, ob das alles wohl gut genug war.


Stattdessen konnte ich meinen Gedanken endlich mal wieder freien Lauf lassen, ohne mich darum zu sorgen, was andere wohl über mich denken könnten - und andererseits bin ich nach langer Zeit einmal wieder in einen Schreibfluss gekommen, sodass es mir bereits nach wenigen Tagen wieder viel einfacher fiel, meine Gefühle und Gedankengänge in Worte zu übersetzen. Als ich also plötzlich nicht mehr nur 150 Wörter Neutext am Tag schrieb (und die waren auch zusammengekratzt), sondern meistens sogar mehr als 1000, hat sich bei mir eine Routine eingestellt, die mir erlaubt hat, meinen Schreibstil neu zu entdecken. Zu merken, was passiert, wenn ich mich einfach mal schreiben lasse, ohne konstant zu überprüfen und überarbeiten. Spoiler: Ich habe mich auf jeden Fall selbst überrascht.


Zusammengefasst lässt sich also sagen: Das Gegengift zur Angst vor Für-dich-Texten sind eine Lastwagenladung voller Für-mich-Texte.


Rückblickend scheint das irgendwie auch so offensichtlich. Wie viele Schreibratgeber empfehlen bei einer Schreibblockade einfach mal draufloszuschreiben, ohne sich darum zu kümmern, ob es gut oder schlecht ist. Ich glaube, ein Teil von mir hielt diese Ratschläge und die damit einhergehenden, scheinbar ins Nichts führenden Schreibübungen immer für Zeitverschwendung. Vor allem, wenn es doch wichtige Für-dich-Texte gibt, die geschrieben werden müssen.


Nun muss ich zugeben, dass es alles andere als Zeitverschwendung ist, einfach für sich selbst zu schreiben. Ohne Ziel, ohne Kriterien. Tatsächlich ist es eher sowas wie ein Neustart.

Ich hoffe jedenfalls, dass dieser Text dir geholfen hat, solltest du (genau wie ich) immer mal wieder Mühe mit dem Veröffentlichen (oder auch dem Schreiben) von Texten haben. Falls dir dieser Beitrag gefallen hat, schick mir doch eine kurze Nachricht! Ich würde mich freuen, von deinen Erfahrungen mit Für-mich-Texten und Für-dich-Texten zu hören.

 
 
 

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