top of page

Warum Scheitern sich so katastrophal anfühlen kann

  • Autorenbild: Michelle Fischer
    Michelle Fischer
  • 1. Mai
  • 4 Min. Lesezeit

Einige meiner schlimmsten Erinnerungen sind von Momenten, in denen ich versagt habe.


Die Matheprüfung, wegen der ich um ein Haar ein ganzes Schuljahr hätte wiederholen müssen. Der Brief, der mir mitteilte, dass ich nicht an meiner Traumuniversität aufgenommen wurde. Eine vermasselte Fahrprüfung und die Tatsache, dass ich nach der zweiten, bestandenen Prüfung, nie wieder ans Steuer gesessen bin.


Ich nehme mir das Scheitern übel. Manchmal sogar sehr übel. Nicht, weil ich denke, dass es unverzeihlich ist, wenn ich etwas nicht schaffe. Das tue ich nicht.


Ich weiss, dass Menschen scheitern. Alle Menschen, immer und immer wieder. Ich weiss, dass man scheitern muss, um zu lernen. Ich weiss das alles.


Aber es ist, als würde für mich eine Welt zerbrechen.


Wenn ich Projekten nachgehe, die mir am Herzen liegen und ich mein Bestes gebe – und dann trotzdem scheitere – dann tut sich in mir ein Loch auf. Ich falle ins Bodenlose. Alte Ängste steigen in mir auf und schlängeln sich um meinen Hals, bis mir die Luft wegbleibt.


"Siehst du, sie kanns ja doch nicht", höre ich sie sagen, ohne zu wissen, wer 'sie' sind.


Es ist, als seien alle meine Befürchtungen bestätigt worden. Ich bin nicht gut genug. Ich bin eben doch nicht gut genug.


Ich werde konsumiert von dem Glauben, dass ich einfach nicht dafür geschaffen bin. Dass ich mein Ziel niemals erreichen werde, ganz egal, wie sehr ich es versuche.


Ich weiss es in diesem Moment noch nicht – aber genau in diesem Gedanken liegt die Ursache für meinen Schmerz. Es ist dieser Gedanke, dieser tief verankerte Glaubenssatz, dass man entweder für etwas geschaffen sein kann oder nicht, der verursacht, dass mein Scheitern sich so fundamental, so endgültig anfühlt.



ree


Fixed Mindset vs. Growth Mindset


Wenn es dir ähnlich geht wie mir, und das Scheitern für dich richtig schwierig ist, dann bist du vielleicht auch mit dem Glaubenssatz grossgeworden, dass Menschen gewisse Eigenschaften entweder haben oder nicht.


Manche Menschen sind intelligent – andere nicht. Manche Menschen sind von Natur aus sportlich und gelenkig. Der Rest von uns muss sich damit abfinden, dass wir wohl nie mit den Fingern unsere Zehen berühren können werden, ohne dabei die Knie durchzubiegen.


Die US-amerikanische Psychologin Carol Dweck nennt diese Denkweise "Fixed Mindset".


Personen mit einem "fixed" also einem festen, unveränderlichen Mindset, sind nach Dweck der Überzeugung, dass Fähigkeiten, Intelligenz und Persönlichkeitsmerkmale angeboren sind und sich nur sehr schwer oder gar nicht verändern lassen.


Wenn ich also davon träume, eines Tages bei der NASA zu arbeiten und Menschen ins All zu bringen, dann habe ich entweder 'das Zeug dazu' oder eben nicht.


Diese Denkweise wird dann problematisch, wenn ich mit meinem eigenen Scheitern konfrontiert bin. Bin ich nämlich der Ansicht, dass ich entweder intelligent genug bin, um bei der NASA zu arbeiten, oder nicht, dann ist jede vergeigte Matheprüfung, jede sich schwierig anfühlende Physikhausaufgabe und jede falsche Antwort im Unterricht ein Hinweis darauf, dass ich es eben nicht bin.


Es ist dieses Mindset, das mir das Gefühl gibt, mein Scheitern sei katastrophal.


Schliesslich gibt es für mich keine Möglichkeit, irgendetwas daran zu ändern. Wenn Intelligenz gegeben ist, dann kann ich noch so lange Physik büffeln. Mit den Genies bei NASA werde ich trotzdem nie mithalten können.


Kein Wunder also, dass mit diesem Mindset für mich eine Welt zusammenbricht, wenn ich bei etwas scheitere, das mir wichtig ist. Kein Wunder, dass die Angst vor dem Scheitern mich davon abhält, schwierige Aufgaben überhaupt erst anzugehen. Wenn ich an meine eigenen Grenzen glaube, wie an einen Gott, dann wird es für mich unglaublich schwierig, die zu überwinden.


Was würde also passieren, wenn ich einfach nicht mehr an meine Grenzen glaube? Was, wenn meine Fähigkeiten und Merkmale als Ausgangspunkt sehe – und nicht als Limit?


In Dwecks Theorie steht dem "Fixed Mindset" das "Growth Mindset" gegenüber. Menschen mit diesem Mindset glauben, dass Fähigkeiten, Intelligenzlevel und Persönlichkeitsmerkmale nicht gegeben sind, sondern, dass man sie entwickeln kann. In anderen Worten: Wenn man sich genug anstrengt, kann man vielleicht nicht alles, aber doch sehr viel erreichen.


Wenn wir also zu unserem NASA-Beispiel zurückkehren, heisst das, dass ich mit dem "Growth Mindset" davon ausgehe, dass ich eines Tages bei der NASA arbeiten kann, wenn ich mich nur richtig ins Zeug lege. Meine vergeigte Matheprüfung und die schwierige Physikhausaufgabe sind dabei nur mein Ausgangspunkt. Ich lerne aus meinen Fehlern, anstatt sie zu fürchten.


Mein Scheitern ist plötzlich ein Teil des Prozesses – und nicht mehr das Ende.


Wenn es also darum geht, wie wir einen besseren Umgang mit dem Scheitern lernen können, ist Dwecks Mindset-Theorie ein guter Anfang. Was sind deine Glaubenssätze, wenn es um Intelligenz, Fähigkeiten und Persönlichkeit geht? Sind sie fixiert oder können sie wachsen? Glaubst du an dich oder an deine Grenzen?


Scheitern muss sich nicht gut anfühlen. Es ist in Ordnung, wenn die Welt manchmal ein bisschen untergeht. Wichtig ist, dass man am nächsten Tag wieder aufsteht. Wichtig ist, dass man scheitert, auch wenn es einem Angst macht. Wichtig ist, dass man dem Scheitern die böse Fratze nimmt.


Denn dein Scheitern ist kein Zeichen dafür, dass du für etwas nicht bestimmt bist – es zeigt dir, dass du gerade erst anfängst.






























 
 
 

Kommentare


bottom of page